Arnulf Knafl
Meine „Sozialisation“ – in germanistischer Hinsicht – vor vielen Jahren fand am Institut für Germanistik statt. Damals war es in der Hanuschgasse, wo ich Lehrveranstaltungen erlebte und wo Konstanze Fliedl ihre akademische Laufbahn begann. Zwei Jahre lang war ich Studienassistent und teilte mit Konstanze Fliedl das Arbeitszimmer. Die Aussicht auf das Albertina-Reiterstandbild „über der Gasse“, aber vor unserem Fenster, war uns gemeinsam, oft wohl auch die Kontrasterfahrung, was sich „draußen“ und was sich „drinnen“ abspielte.
Aber Konstanze Fliedl hat geschrieben. Ich erinnere mich an einen Aufsatz über Elias Canetti und an eine Wendung („der Grund steigt“) in einem seiner Dramen (ich glaube, es ging um „Die Berühmten“), an der sich die Akribie in philologisch-hermeneutischer Zielstrebigkeit ablesen ließ. Konstanze Fliedl hat mir wiederholt den Kurs ihrer Aufsätze skizziert, ein Vorgang, von dem wir beide profitierten.
Man konnte also lernen, Ansprüche entwickeln, deren Notwendigkeit erkennen, Lektüren aufnehmen, was immer man davon auch verstand und in seinem Fachmagen verstaute. Es war eine Grundlegung der Studierbereitschaft. Sie fiel einem nicht leicht, war aber eine natürliche Lernumgebung, die wirkte. Konstanze Fliedl war neben anderen eine, der ich die ernsthafte Verbundenheit mit der Literatur und ihrer Wissenschaft verdanke. Sie war einer der wenigen Menschen, deren Strenge man nicht erfuhr, sondern schätzte.
Zu dem, was mir die „Institution Hanuschgasse“ mitgab, gehört es auch, dass der spätere Umgang und Begegnungen mit Konstanze Fliedl von einem gemeinsamen Hintergrund ausgehen konnten. Wann immer ich sie fragte, ob sie in Kommissionen mitwirken oder Einladungen zu Vorträgen annehmen könnte, hat sie spontan zugesagt und damit ihre Verantwortung für das Fach und für die Absolvent/innen des Instituts für Germanistik ernst- und wahrgenommen. Vielleicht war diese „Treue“ auch Verpflichtung. Aber vielleicht beruhte sie einfach auch nur auf einem gemeinsamen sozialen Sinn, einen sozialen Sinn, den Konstanze einfach hat und als Vorbild vorgibt. Dieser war bei aller sonstigen Beanspruchung Selbstverständlichkeit, eine Qualität, für die Dank und Dankbarkeit wohl nur unzureichende Wörter sind.